Aktuelle Studie zum Studienabbruch

Am 1. Juni hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) seine seit Herbst 2016 erwartete und vom Bundesbildungsministerium geförderte Studie zum Studienabbruch veröffentlicht. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Ergebnisse dieser bislang größten bundesweiten repräsentativen Untersuchung zu Umfang und Motiven des Studienabbruchs an deutschen Hochschulen:

1. Insgesamt stagnieren die Abbruchzahlen im Bachelorbereich auf einem hohen Niveau (29 vs. 28 % in 2014, dem Jahr der letzten DZHW-Abbruchstudie). Hinter der Stagnation im Bachelorbereich verbirgt sich allerdings ein merklicher Anstieg bei den Fachhochschulen (von 23 auf 27 %), während die Abbruchquote an den Universitäten leicht zurückging (von 33 auf 32 %). In den Masterstudiengängen kam es sowohl an den Universitäten (15 vs. 11 %) als auch an den Fachhochschulen (19 vs. 7 %) zu einem deutlichen Anstieg.

2. In den so bedeutsamen MINT-Disziplinen sind die Abbruchquoten nach wie vor überdurchschnittlich hoch. In den Ingenieurwissenschaften gab es an den Universitäten zwar einen Rückgang gegenüber 2014 (von 36 auf 32 %), an den Fachhochschulen erhöhten sich die Zahlen allerdings leicht (33 vs. 31 %). Die höchste Abbruchquote in der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften weist das Bauingenieurwesen an den Universitäten mit 48 % auf, gefolgt von der Elektrotechnik ebenfalls an den Universitäten mit 45 %. In der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften erhöhte sich die Abbruchquote an den Fachhochschulen erheblich (von 34 auf 42 %), an den Universitäten stagniert sie mit 39 % auf hohem Niveau. Am kritischsten stellt sich die Situation in der Mathematik an Universitäten dar: Hier brechen 51 % das Studium ab, in der Informatik 45 %.

3. Der Studienabbruch wird im Wesentlichen durch folgende Motive bestimmt: Am häufigsten scheitern Studierende an den hohen Anforderungen ihres Studiums bzw. an den fehlenden fachlichen Voraussetzungen. Der zweitwichtigste Abbruchgrund ist die mangelnde Studienmotivation. Am dritthäufigsten wird der Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit genannt. Die Studierenden vermissen Praxis- und Berufsbezüge im Studium, wollen Geld verdienen und brechen letztendlich ihr Studium ab. Diese drei Motive führten bei sechs von zehn Abbrechern zur Beendigung des Studiums. Für nur 11 % sind finanzielle Schwierigkeiten der Hauptgrund für den Abbruch des Studiums.

4. Die Sicherung des Studienerfolgs sollte ein Hauptaugenmerk der Hochschulen sein. Allerdings wird außer in der Informatik von weniger als der Hälfte der befragten Fakultäts- und Fachbereichsleitungen die Senkung der Abbruchquote als wichtig erachtet.

5. Die Studie zeigt, dass Studienabbrecher und -abbrecherinnen deutlich seltener Kontakt zu Lehrenden haben, weniger integriert in das soziale Leben an der Hochschule sind und Beratungs- und Unterstützungsangebote seltener nutzen als Absolventen und Absolventinnen. Empfohlen wird in Bezug auf den letztgenannten Punkt daher auch ein höherer Grad an Verbindlichkeit bei den Angeboten wie Brückenkurse, Einführungstutorien oder Beratung durch Mentoren.

6. Studienabbrecherinnen und -abbrecher unterscheiden sich auch in ihrer Bildungsherkunft, ihrem Weg zum Studium und ihren schulischen Leistungen von den Absolventinnen und Absolventen. Sie stammen seltener aus einem akademisch geprägten Elternhaus, haben seltener die Hochschulzugangsberechtigung an einem Gymnasium erworben und schlechtere Abschlussnoten in der Schule erreicht.

7. Überraschend ist, dass fast drei Viertel der Absolventinnen und Absolventen einem Nebenjob nachgehen, jedoch nur knapp die Hälfte der Abbrecherinnen und Abbrecher. Allerdings spielen der Umfang der Erwerbstätigkeit und die fachliche Nähe zum Studienfach eine wichtige Rolle. Studienabbrecherinnen und -abbrecher arbeiten deutlich mehr Stunden pro Woche und seltener weist ihre Tätigkeit eine inhaltliche Nähe zum Studienfach auf.

8. Sechs Monate nach Studienabbruch haben 43 % der Abbrecherinnen und Abbrecher eine Berufsausbildung aufgenommen (vs. 22 % beim Exmatrikuliertenjahrgang 2008); 14 % haben sich für eine schulische Berufsausbildung, 29 % für eine duale Berufsausbildung entschieden. Weitere 31 % sind erwerbstätig.

Bewertung: Die Abbruchquoten sind nach wie vor deutlich zu hoch. Insbesondere in den MINT-Fächern wirken sie mit Blick auf die vielfältigen und erfolgreichen Bemühungen, junge Menschen für ein MINT-Studium zu gewinnen, stark kontraproduktiv. Angesichts des MINT-Fachkräftemangels und seinen Auswirkungen auf die Wachstums- und Innovationsfähigkeit Deutschlands ist dies ein überaus kritischer Befund. Umfangreiche Bundesprogramme wie der Qualitätspakt Lehre zeigen offensichtlich (noch) keine Wirkung. Die BDA fordert in ihrer aktuellen bildungspolitischen Grundsatzposition "Bildung 2030 im Blick" eine Senkung der Gesamtabbruchquote auf 15 %. Einmal mehr wird deutlich, dass eine systematische, curricular festgeschriebene Berufs- und Studienorientierung in allen Schulformen der Sekundarstufen I und II dringend geboten ist. Letztendlich müssen aber auch die Hochschulen deutlich stärker als bisher die Senkung der Abbruchquote als ihre Aufgabe annehmen und ihre Studierenden zu einem erfolgreichen Abschluss führen.

Sie finden die Studie mit dem Titel "Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit" unter www.dzhw.de > Publikationen.

Zurück