Brexit-Verhandlungsrunde

Vom 28. bis 31. August 2017 fand in Brüssel die dritte Verhandlungsrunde über den Austritt des Vereinigten Königreichs (VK) aus der EU statt. Vorausgegangen waren die erste Verhandlungsrunde am 19. Juni 2017 mit Festlegung des Verhandlungsfahrplans und der dringendsten Themen, und die zweite Verhandlungsrunde vom 17. bis 20. Juli 2017 mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe der Verhandlungskoordinatoren und drei Verhandlungsgruppen zu den Themen "Citizens' Rights“, "Financial Settlement“ sowie "Other Separation Issues“. Die drei zentralen Themen der dritten Verhandlungsrunde waren die finanziellen Verpflichtungen des VK gegenüber der EU, Bürgerrechte sowie die Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland. In der dritten Verhandlungsrunde wurden – wie erwartet – keine Ergebnisse bei den Hauptthemen erzielt. EU-Chefunterhändler Michel Barnier sprach in der heutigen Abschlusspressekonferenzdavon, dass "kein entscheidender Fortschritt erzielt“ wurde und man lediglich in Nebengebieten "hilfreiche Klarstellungen“ erreicht habe. Der britische Verhandlungsführer David Davis sprach von "langen und detaillierten Diskussionen“ und forderte die EU auf, "mehr Flexibilität und Vorstellungskraft“ zu zeigen.

Im Einzelnen:

„Financial Settlement“ – britische Finanzverpflichtungen
Positionen zur Verhandlungsrunde: Nach Auffassung der EU soll das VK für die im Rahmen seiner EU-Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen aufkommen. Diese "exit bill“ (nach Schätzungen 40 bis 100 Milliarden) soll Verbindlichkeiten, u. a. aus dem laufenden mehrjährigen Finanzrahmen, aus Finanzierungsinstrumenten außerhalb des EU-Haushalts und aus den Aktivitäten der Europäischen Investitionsbank beinhalten. Auch soll sich das VK an den Zahlungsverpflichtungen der laufenden EU-Haushaltsperiode bis Ende 2020 beteiligen. Die britische Regierung hatte vom Vorfeld grundsätzlich anerkannt, dass es finanzielle Verpflichtungen gebe und betont, dass ein "fair settlement” erzielt werden müsse. Verhandlungsstand: Es ist in der dritten Verhandlungsrunde zu keiner Annäherung gekommen. Davis betonte in der Abschlusspressekonferenz die Verpflichtung der britischen Regierung gegenüber den britischen Steuerzahlern und dass es "sehr unterschiedliche Positionen“ gebe. Es müsse Position für Position geprüft werden, ob es "juristische Verpflichtungen“ gebe. Die britische Regierung hat deutlich gemacht, dass sie keine finanziellen Verpflichtungen für zukünftige Belange nach dem Brexit übernehmen werde, wie beispielsweise aus dem Europäischen Entwicklungsfond.

Bewertung:

  • Ein Grunddissens zu der finanziellen Frage des Austritts ist, wie die "exit bill" berechnet werden soll und ob auch Vermögenswerte (wie bspw. Gebäude in Brüssel) einbezogen werden. Auch macht das VK Gegenansprüche geltend, wie beispielsweise einen Ausgleich für die Übernahme von nuklearem Abfall.
  • Auf der Agenda stand auch das Thema Europäische Investitionsbank. Sie stellte im Jahr 2015 Kredite in Höhe von 5,6 Milliarden Pfund für 40 Projekte im VK zur Verfügung. Es bleibt weiterhin offen, wie dies in die "exit bill“ einbezogen wird.


„Citizens`rights“
Positionen zur Verhandlungsrunde: Die EU verlangt für EU-Bürger, die bereits im VK leben, einen Status, der sich nicht von dem bisherigen unterscheidet. Die britische Regierung will, dass der bisherige Status der britischen Bürger in EU-Staaten soweit wie möglich erhalten bleibt. Sie will den EU-Bürgern umfassende Aufenthaltsrechte gewährleisten, aber nur auf Basis des britischen Rechts. In Streitfragen diesbezüglich sollen betroffene EU-Bürger sich nicht an den Europäischen Gerichtshof wenden können, sondern an britische Gerichte. Verhandlungsstand: Zu wesentlichen Fragen wurde keine Einigung erzielt. In der Abschlusspressekonferenz sprach Barnier von "hilfreichen Klarstellungen“ zum Status der Grenzgänger und zu Fragen der Sicherungssysteme. Er betonte, dass die Rechte der EU-Bürger im VK durchsetzbar sein müssten und unter der Kontrolle des EuGH stehen müssten. Davis betonte die Wichtigkeit des Schutzes der Bürger des VK und sprach von einer Einigung bei Fragen der "gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen.“

Bewertung:

  • Diese Frage ist für beide Seiten zentral, da im VK 3,2 Millionen EU-Bürger leben (2 Millionen arbeiten) und 1,2 Millionen britische Bürger in EU-Staaten leben. Nach einer aktuellen KPMG-Studie denken 55% der arbeitenden EU-Bürger im VK mit einem Doktortitel über einen Umzug nach. Bei Angestellten mit Master-Abschluss beträgt die Quote 49%. Auch kommen derzeit weniger Osteuropäer ins VK. Die National Farmers‘ Union teilte mit, dass die Zahl ausländischer Erntehelfer bereits um ein Sechstel gesunken ist.
  • Barnier kritisierte in der Abschlusspressekonferenz, dass in den letzten Wochen einige hundert EU-Bürger im VK Abschiebebescheide erhalten haben. Dies sei kein Beispiel der Vertrauensbildung für die Verhandlungen.


Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland
Positionen zur Verhandlungsrunde: Es ist die Position der EU, dass es keine "harte Grenze“ zwischen Nordirland und Irland geben soll. Der seit den 1920er-Jahren bestehende Grenzraum, die sogenannte Common Travel Area, soll erhalten bleiben. Auch das Karfreitagsabkommen zwischen Irland und dem VK, welches 1998 ausgehandelt wurde und der Durchbruch auf dem Weg zum Frieden war, soll beibehalten werden. Das VK will eine "harte Grenze“ in jedem Fall vermeiden und den status quo beibehalten. Die britische Seite hatte vorab angedeutet, die Irland-Frage mit der Frage der künftigen Handelsbeziehungen verknüpfen zu wollen.

Aktueller Verhandlungsstand:
Es gab keine Einigung zu diesem Themenkomplex, auch nicht zur Frage des Abschlusses eines etwaigen Freihandelsabkommens. Laut Barnier wurden "Fortschritte zur Common Travel Area“ erzielt (ohne Details zu nennen) und der zukünftige Arbeitsumfang geklärt. Davis sprach von "guten Diskussionen“ und kündigte an, dass das VK hierzu weitere Positionspapiere vorlegen werde.
Bewertung:
 • Bei diesen Punkt gibt es inhaltliche Übereinstimmungen zwischen der EU und dem VK, weshalb in den nächsten Verhandlungsrunden mit Fortschritten zu rechnen ist.

Weiterer Fortgang:
Die nächsten Verhandlungsrunden finden ab dem 18. September 2017 und dem 9. Oktober 2017 statt. Wichtige Impulse werden auch von der Rede Junckers "State of the Union“ am 13. September 2017 erwartet. Die nächsten EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs finden dann am 19./20. Oktober 2017 und am 14./15. Dezember 2017 statt.


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