Gemeinsamer Appell zur Energiepreiskrise

Wir, die Organisationen der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Niedersachsen appellieren eindringlich an die politischen Entscheidungsträger in Niedersachsen, Berlin und Brüssel, mit beherzten Maßnahmen zur Stabilisierung der Energiemärkte beizutragen. Das kürzlich vorgestellte, sog. „dritte Entlastungspaket“ hat deutlich gemacht, dass die Auswirkungen der steigenden Energiekosten auf Unternehmen und die daraus folgenden Effekte für den Wirtschafsstandort Deutschland sowie unsere Gesellschaft weiterhin unterschätzt werden.


Viele Unternehmen erhalten aktuell keine Angebote mehr von ihren Strom- und Gas-Versorgern. Sollten Unternehmen einen Vertrag angeboten bekommen, liegen die Preise allein beim Strom regelmäßig beim zehn- bis fünfzehnfachen Preis gegenüber dem des Vorjahres. Grund hierfür sind die massiv gestiegenen, volatilen Preise an der Börse, die eine seriöse Kalkulation für die Händler nur mit hohen Sicherheitsaufschlägen möglich machen.


Aus unserer Sicht resultieren die hohen Energiepreise insbesondere aus folgenden Sachverhalten:
- Nationale Regelungen in Deutschland: Ein wesentlicher Teil der Stromkosten bestehtaus Steuern, Abgaben und Umlagen: Diese resultieren – wie die Stromsteuer – zum Teilnoch aus einer Zeit, in der Strom preisgünstig war und der Verbrauch über steuerlicheAspekte verteuert werden sollte bzw. aus Zeiten, in denen der Ausbau der erneuerbarenEnergien durch Subventionen unterstützt werden musste (bspw. Offshore-Netzumlage).
- Preisbildung Strom über „Merit Order“: Aktuell bestimmt das teuerste Kraftwerk denStrompreis an der Börse in Leipzig. Die aktuell teuerste Art der Stromgewinnung ist dieStromerzeugung in Gas-Kraftwerken. Hier kommen die wesentlich erhöhten Gaspreise vollzum Tragen. Die fehlenden Gasmengen auf dem Markt bewirken nicht nur eine massiveVerteuerung von Gas selbst, sondern aller Energiearten und führen so zu einer sichabzeichnenden Wirtschaftsrezession in der EU.
- EU-Strom Regelungen: Einerseits wird die Energiepolitik jedes einzelnen EU-Landesnational festgelegt – andererseits hängen die Stromnetze und Stromerzeugung dereinzelnen EU-Staaten direkt voneinander ab. Die Konsequenzen daraus werdenbeispielsweise an der in diesem Jahr stark gestiegenen Stromnachfrage Frankreichs aufGrund des Ausfalls großer Teile der Erzeugungskapazitäten in diesem Land deutlich: InFrankreich wird die Verknappung der Energie auf Grund nationaler Regelungen nicht andie Konsumenten weitergegeben und in Deutschland werden die Strompreise auf Grundder hohen Stromnachfrage in Frankreich verteuert; u.a. sinkt so die Wettbewerbsfähigkeitder deutschen Wirtschaft gegenüber der französischen.


Kein Unternehmen kann diese Preissteigerungen auffangen, ohne sie an Kunden weiterzugeben oder mittelfristig Insolvenz anmelden zu müssen. Insbesondere energieintensive Unternehmen am Anfang der Wertschöpfungsketten sind gezwungen zu reagieren und die Kosten in die Lieferkette weiterzugeben oder, wie bereits zu beobachten, die Produktion einzustellen.
Die Folge sind stark steigende Preise und eine Verknappung der Vorprodukte, was sich durch die Lieferkette zieht und bei jedem weiteren Verarbeitungsschritt zunimmt. Mit verheerenden Folgen für Verfügbarkeit und Preise von Endprodukten. Schlussendlich wird dadurch die Inflation im Inland noch weiter verstärkt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit exportierender Unternehmen nachhaltig geschwächt. Das ist bereits heute Realität!


Wir brauchen daher eine sehr kurzfristige Korrektur. Hierzu regen wir an:
- Alle Bestandteile, die die Höhe des Gas- und Strompreises beeinflussen, sollten auf ihreNotwendigkeit hin geprüft werden. Dabei bietet die Reduzierung der Steuern undUmlagen auf Strom und Gas eine schnelle wirksame Hilfe, um insbesondere Verbraucherzu entlasten und eine wesentliche Ursache der Inflation zu bekämpfen. Der Staat ist durchdie gestiegenen Preise finanzieller Profiteur dieser Krise. Mindestens diese zusätzlichenEinnahmen gilt es zu mobilisieren!
- Der EU-Strommarkt muss kurzfristig vom Gasmarkt entkoppelt werden: Dies kanndurch eine Preisdeckelung der Gasmenge, die für die Stromproduktion eingesetztwird, erreicht werden. Wir plädieren dafür, dass der Preis so gesetzt werden sollte, dassdie Stromgestehungskosten eines Gaskraftwerkes leicht über dem Niveau einesKraftwerkes auf der Basis von Steinkohle liegen. Eine solche Regelung hätte zur Folge,dass
1.die Grenzkosten der Stromerzeugung künftig durch einen grundlastfähigen Rohstoffbestimmt werden und nicht mehr abhängig von wenigen Anbietern sind. Dies bedeutetPlanungssicherheit für die Wirtschaft.
2.die Strompreise an der Börse sich auf ein tragbares Niveau einpendeln.
3.nach wie vor die preisgünstigere Stromerzeugung über Wind, Sonne, Wasser, Kohlebevorzugt und die Stromerzeugung über Gas minimiert wird. Es entsteht durch dieRegelung keine zusätzliche Nachfrage nach Gas.
Durch die Entkoppelung des Strom- und Gasmarktes hat der Krieg in der Ukraine deutlich weniger Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der EU. Auch würden sich damit die Diskussionen zu sog. „Zufallsgewinnen“ erledigen - die exorbitanten Gewinne einiger Energieerzeuger würden auf Normalmaß schrumpfen, gleichzeitig bleibt auf Grund der Wirtschaftlichkeit der Anreiz für Unternehmen erhalten, in Energiegewinnung aus regenerativen Quellen zu investieren. Auch hier ist der Staat gefordert, den Turbo zu zünden.


Wir müssen JETZT handeln, um die deutsche Wirtschaft vor irreparablen Schäden zu bewahren und eine Insolvenzwelle zu verhindern. Diese hätte unabsehbare Folgen für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und den Wohlstand in unserem Land.


Um die Dringlichkeit des Handels zu verdeutlichen, fügen wir diesem Appell noch einige Beispiele aus unterschiedlichen Branchen an, die die Auswirkungen anhaltend hoher Energiepreise nochmals unterstreichen. Diese Krise hat für viele gesunde Unternehmen existenzgefährdenden Charakter und ist damit kritischer als die Corona-Pandemie. Nur wenn Politik konsequent handelt, lässt sich ein Dominoeffekt aufhalten, der das Potenzial hat, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft massiv zu beschädigen und den Wohlstand unserer Gesellschaft nachhaltig zu reduzieren!


16.September 2022

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